Das Hauptmotiv klassisch-grotesker Körperdarstellungen zeigt zwei
Körper in einem. Einen, der gebiert und abstirbt und einen, der empfangen,
ausgetragen und geboren wird. Es stellt die Ambivalenz in ihrer Gleichzeitigkeit
dar, die allen Lebens innewohnt. In den klassischen Körperdarstellungen
finden sich bevorzugt jene, die Tod und der Geburt am nächsten stehen,
wie Michail Bachtin* schreibt: »Kindheit und Greisenalter, mit deutlicher
Betonung ihrer Nähe zu Mutterleib und Grab, zum gebärenden und
verschlingenden Schoß.«
Das römische
Ornament, das Ende des 15. Jhs. in Rom bei der Ausgrabung unterirdischer
Teile der Thermen des Titus wiederentdeckt wurde, zeigte einen ungewohnt verspielten
Umgang mit Pflanzen-, Tier- und menschlichen Formen. Sie gingen ineinander
über oder entstanden auseinander und besaßen nicht die starren
Grenzen, die im allgemeinen Verständnis die einzelnen Bereiche voneinander
trennten. In der klassischen Groteske wurden sie spielerisch übertreten.
Im neueren
Kunstverständnis wird das Wachstum und die Veränderung des Körpers
verheimlicht. Lebensprozesse wie Empfängnis, Schwangerschaft, Geburt
und Todeskampf kommen in der Regel nicht mehr vor. Die Körpergrenzen
sind abgeschlossen und starr, Verinnerlichungs- und Körperprozesse werden
nicht dargestellt. Für Michail Bachtin ist es daher einsichtig,
»daß vom Standpunkt dieses neuzeitlichen Kanons der Körper
des grotesken Realismus´ als etwas Formloses und Abstoßendes
erscheint. Er fügt sich nicht in den Rahmen der modernen Ästhetik
des Schönen.«
*Michail Bachtin. Rabelais
und seine Welt. Volkskultur als Gegenkultur. Frankfurt/M., Suhrkamp Verlag,
1987.